Ella und das große Rennen (2024)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Eine hinreißende Rasselbande

Wer selbst Kinder hat, der ist vielleicht schon einmal über die Buchreihe Ella des finnischen Autors Timo Parvela gestolpert — und wenn nicht, ist dies ein Versäumnis, das man dringend nachholen sollte. Die Geschichten rund um Ella und ihre Freunde, die seit 2007 in Deutschland erscheinen, gehören in Finnland zur Schullektüre, was durchaus als Beweis dafür herangezogen werden darf, mit welcher Lockerheit und Offenheit die Finnen mit ihrer Bildung umgehen. Denn pädagogisch wertvoll im klassischen Sinne sind die Bücher nur teilweise  — zu wild und anarchisch sind die Charaktere, die immer wieder aufs Neue die Geduld ihrer Lehrer auf eine harte Geduldsprobe stellen.

In gewisser Weise führt Parvela in seiner mittlerweile acht Bände umfassenden Reihe Pippi Langstrumpf und die Abenteuer des kleinen Nick zusammen — und wer die beiden Helden der Kinderliteratur liebt, wird auch Ella und ihre Schulfreunde lieben. Und so war es nur eine Frage der Zeit, bis die wildeste Klasse Finnlands auch die große Leinwand erobern würde. Unter der Regie von Taneli Mustonen kommt nun Ella und das große Rennen in die deutschen Kinos — und der zweite Teil der Abenteuer ist bereits für den Sommer 2014 angekündigt.

Für Ella und ihre Freunde beginnt der Film mit einem Schrecken: Aufgrund eines Missverständnisses soll ihre geliebte Schule geschlossen und sie selbst in eine triste Schule in der nahe gelegenen Stadt verlegt werden. Der Grund hierfür liegt in den Bestrebungen des äußerst unsympathischen Herrn Yksi (Kari Ketonen), seinen Sohn Kimi (Oliver Kivi) zu einem künftigen Formel-1-Weltmeister zu formen — schließlich verfügt das Land über eine lange Tradition an berühmten und erfolgreichen Autorennfahrern. Um eine Trainingsstrecke für den Nachwuchs zu bauen, hat Herr Yksi ein Auge auf das Grundstück geworfen, auf dem sich Ellas Schule befindet. Als ein Aufsatz von Ella über einen Ausflug in den Zoo in die Hände der Schulbehörde gerät, glaubt die zuständige Sachbearbeiterin, sie beschreibe die Zustände in der Schule und die sind natürlich unhaltbar. Also muss die Klasse von nun an eine triste, graue Schule mit labyrinthischen Gängen in der Stadt besuchen, wo sich die Rasselbande natürlich nicht wohl fühlt. Als Ella und ihre Freunde auf Herrn Yksis Tochter Anna treffen, wird ihnen schnell klar, dass es nur einen Weg gibt, den Abriss ihrer geliebten alten Schule zu verhindern — einer von ihnen muss gegen Kimi in einem Rennen antreten und diesen schlagen. Doch wie soll das gelingen, wenn man als Fahrzeug lediglich einen alten VW-Bus zur Verfügung hat, der überdies nicht mal mehr einen Motor hat?

Wer auch bei Kinderfilmen eine nachvollziehbare Geschichte und stringente Logik für unverzichtbar hält, dürfte mit Ella und das große Rennen einige Schwierigkeiten haben. Schon das Missverständnis, das den dramatischen Konflikt befördert, ist so absurd geraten, dass man es kaum glauben mag. Und da der Film sich mit Wahrscheinlichkeiten auch in der Folgezeit nicht lange aufhält, sondern stattdessen lieber auf grelle Kontrastierungen und Slapstick-Elemente setzt, geht es hier über 80 Minuten vor allem bunt, laut und unglaublich lustig, aber nicht unbedingt plausibel zu.

Lässt man dies aber außer Acht oder kann solch einer wilden Geschichte sogar etwas abgewinnen (und Hand aufs Herz: Pippi Langstrumpf und andere Klassiker der Kinderliteratur zeichneten sich auch nicht gerade durch Nachvollziehbarkeit und Logik aus), dann wird Ella und das große Rennen aufgrund seiner Turbulenz und eines ausgezeichnet aufspielenden Ensembles zu einem großen Vergnügen. Wie bei Pippi Langstrumpf spielen auch hier die vermeintlich Großen vor allem die Rolle, als Hanswurste, Stichwortgeber und Widersacher gegen die kindliche Welt zu fungieren — insofern ist es kaum verwunderlich, dass die Eltern der kleinen Helden keine wesentliche Rolle spielen. Aber das ist ja auch bei den Büchern von Timo Parvela kaum anders — sie sind letzten Endes nichts anderes als die Verteidigung der kindlichen Welt voller Wunder und Unmöglichkeiten gegen die faktenbasierte, nüchterne und graue Hemisphäre der Erwachsenen. Und genau dieses Charakteristikum arbeitet die Filmversion von Taneli Mustonen mit viel Witz und Charme heraus.

Als vergnüglicher Spaß für kleinere Zuschauer ab 5 Jahren geht das völlig in Ordnung — und wer als Erwachsener seinen Spaß an den Abenteuern der kleinen Anarchistin Pippi Langstrumpf hatte, der kann in Ella und ihren Freunden womöglich finnische Brüder und Schwestern im Geiste entdecken.

Wer selbst Kinder hat, der ist vielleicht schon einmal über die Buchreihe „Ella“ des finnischen Autors Timo Parvela gestolpert — und wenn nicht, ist dies ein Versäumnis, das man dringend nachholen sollte. Die Geschichten rund um Ella und ihre Freunde, die seit 2007 in Deutschland erscheinen, gehören in Finnland zur Schullektüre, was durchaus als Beweis dafür herangezogen werden darf, mit welcher Lockerheit und Offenheit die Finnen mit ihrer Bildung umgehen.

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